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BAG: Annahme der Kündigung verweigert – und trotzdem zugegangen

Beitrag zum Thema Aktuelles · 20.11.2015

 

Bundesarbeitsgericht    (BAG),    Urteil vom 26.3.2015  – 2 AZR 483/14

Die Klägerin war als Altenpflegerin tätig.  Am 22.10.2012 ist ihr  in einem Gespräch mit der Geschäftsführung mitgeteilt worden, dass ihr Arbeitsverhältnis betriebsbedingt gekündigt werden müsse.  Ein bereits unterzeichnetes Kündigungsschreiben hatte die Klägerin nicht angenommen, sie erklärte, mit der Kündigung nicht einverstanden zu sein und verließ daraufhin das Büro, ohne die Kündigung mitzunehmen.

Am Nachmittag desselben Tages hatten zwei Mitarbeiter des Arbeitgebers die Klägerin unter ihrer Wohnanschrift aufgesucht, um ihr das Kündigungsschreiben persönlich zu übergeben. Die Klägerin gab an, keine Zeit zu haben. Sodann ist das Schreiben durch die Mitarbeiter gegen 17:00 Uhr in den Briefkasten geworfen worden.

Am 14.11.2012  ist beim Arbeitsgericht Hamburg eine Kündigungsschutzklage durch die Klägerin eingereicht worden. Der Arbeitgeber machte geltend, dass die Klage zu spät eingereicht worden sei. Nach dem Kündigungsschutzgesetz müsse eine Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingehen. Bei einer verspätet eingereichten Klage gelte die Kündigung als wirksam. Die Klägerin hätte die Dreiwochenfrist nicht eingehalten.

Die Klägerin hingegen behauptete, das Kündigungsschreiben erst am 24.10.2012 vormittags in Ihrem Briefkasten gefunden zu haben. Das Arbeitsgericht hatte die  Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht sah es als nicht erwiesen an, dass die Kündigung formell vor dem 24.10.2012  zugegangen sei und gab damit der Klage statt. Das BAG hat diese Entscheidung aufgehoben und im wesentlichen ausgeführt:

Soweit die Beteiligten anwesend sind, ist eine Kündigung dann zugegangen, wenn das Schriftstück dem Empfänger mit der für ihn erkennbaren Absicht, es ihm zu übergeben, angereicht und, falls er die Entgegennahme ablehnt, so in seiner unmittelbaren Nähe abgelegt wird, dass er es ohne weiteres an sich nehmen und von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann. Verhindere der Empfänger durch eigenes Verhalten den Zugang oder lehne er die Entgegennahme ohne Begründung ab, müsse er sich nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als sei die Kündigung zu diesem Zeitpunkt zugegangen.

Auch die Zustellung am Nachmittag durch zwei Mitarbeiter  ist als wirksam angesehen worden. Grundsätzlich bewirkt der  Einwurf in einen Briefkasten den Zugang erst dann,  sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Maßgeblich sind die üblichen Postzustellzeiten. Wird ein Brief erst gegen Abend eingeworfen, so muss der Empfänger sich den Zugang erst für den Folgetag zurechnen lassen. Allerdings besteht eine Ausnahme: Wenn der Empfänger weiß, dass für ihn ein Schriftstück eingeworfen wird oder aufgrund einer entsprechenden Ankündigung damit rechnen muss, ist er auch gehalten, in den Briefkasten zu schauen, auch abends. Vorliegend konnte sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass sie erst am Folgetag Kenntnis von dem Kündigungsschreiben genommen hatte.

Klemens Erhard

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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