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OLG Düsseldorf: Ist ein Bauvertrag bei fehlender Gewerbeanmeldung (Schwarzarbeit) nichtig?

Beitrag zum Thema Aktuelles · Christoph Wink · 20.03.2016

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.03.2016 (23 U 110/15)

Das OLG Düsseldorf hatte die Frage zu beantworten, ob ein einseitiger Verstoß gegen die Bestimmungen des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (Gewerbeanmeldung) zu einer Nichtigkeit des geschlossenen Bauvertrags führt, wenn der Vertragspartner (im entschiedenen Fall der Auftraggeber) keine Kenntnis von dem Verstoß hatte. Dies wurde durch das OLG verneint: in diesem Fall bleibt der Vertrag wirksam!
In dem zugrunde liegenden Sachverhalt verlangte der Auftragnehmer restliche Vergütung für Fliesenarbeiten; über eine Gewerbeanmeldung verfügte er nicht, was dem Auftraggber allerings bei Auftragserteilung nicht bekannt war. Der Auftraggber lehnte die Zahlung der Forderung ab und berief sich darauf, dass der Vertrag wegen Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz nichtig sei.

Das vorinstanzlich zuständige LG veruerteilte den Aufraggeber (Beklagten) zur Zahlung, hiergegen wandte sich dieser mit der Berufung an das OLG Düsseldorf.

Seine Auffassung begründete das OLG Düsseldorf bereits umfassend in einem zuvor dem Beklagten erteilten Hinweis:

„Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Auch die weiteren Voraussetzungen einer Entscheidung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO sind gegeben.

1. Das Landgericht hat angenommen, dass der von der Beklagten mit der Ausführung von Fugenarbeiten beauftragte Kläger gegen § 1 Abs. 2 Ziffer 4 SchwarzArbG verstoßen hat, weil er das von ihm betriebene Gewerbe nicht angezeigt hat. Gleichwohl sei der Vertrag nicht gemäß § 134 BGB nichtig. Es liege ein einseitiger Verstoß des Klägers vor, denn die Beklagte habe selbst vorgetragen, von der fehlenden Gewerbeanmeldung nicht gewusst zu haben. Im Falle eines einseitigen Verstoßes gegen das SchwarzArbG sei der Vertrag wirksam. Der Kläger könne daher Zahlung des restlichen Werklohns in Höhe von 6.084,00 EUR beanspruchen.

Die Beklagte ist der Ansicht, auch der einseitige Verstoß des Klägers gegen § 1 Abs. 2 Ziffer 4 SchwarzArbG führe zur Nichtigkeit gemäß § 134 BGB. Zudem macht sie sich in der Berufungsinstanz den erstinstanzlichen Vortrag des Klägers zu Eigen, dass sie, die Beklagte gewusst habe, dass der Kläger kein Gewerbe angemeldet habe. Schließlich habe der Kläger entgegen der Annahme des Landgerichts nicht nur gegen die Pflicht zur Gewerbeanmeldung gemäß § 1 Abs. 2 Ziffer 4 SchwarzArbG verstoßen, sondern auch gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG. Er habe beabsichtigt, keine Rechnung zu stellen.

2. Diesen Berufungsangriffen ist nicht zu folgen.

Der Verstoß des Klägers gegen § 1 Abs. 2 Ziffer 4 SchwarzArbG ist von vornherein nicht geeignet, Nichtigkeit zu begründen. Relevant für § 134 BGB sind allein die in § 1 SchwarzArbG aufgeführten sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Pflichten, nicht die gewerbe- und handwerksordnungsrechtlichen Pflichten (vgl. Sack/Seibl, in: Staudinger, BGB 2011, § 134 Rz. 275; Stamm, NZBau 2009, 78, 87 f.). Dem entspricht es, dass der Bundesgerichtshof allein wegen der fehlenden Eintragung in die Handwerksrolle eine Nichtigkeit gemäß § 134 BGB verneint hat (Urt. v. 22.09.1983 – VII ZR 43/83, NJW 1984, 230; Beschl. v. 25.01.2001 – VII ZR 296/00, NJW-RR 2002, 557). Ebenso wäre es unangemessen, wenn allein aus dem Verstoß gegen § 14 GewO die zivilrechtliche Nichtigkeit eines Vertrages abgeleitet würde, obwohl die gewerberechtliche Pflicht des § 14 GewO nur eine der Parteien betrifft.

Der Berufung verhilft auch nicht der Vortrag der Beklagten zum Erfolg, dass der Kläger beabsichtigt habe, gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG zu verstoßen, weil er keine Rechnung habe stellen wollen. Denn auch wenn dieser Vortrag zutreffen sollte, so läge nur ein einseitiger Verstoß des Klägers vor, der nicht zur Nichtigkeit führt.

Im Falle eines einseitigen Verstoßes gegen die Bestimmungen des SchwarzArbG, von denen der Vertragspartner keine Kenntnis hat, der Vertrag nicht gemäß § 134 BGB nichtig (BGH, Urt. v. 2.12.1984 – VII ZR 388/83, NJW 1985, 2403; Beschl. v. 25.01.2001 – VII ZR 296/00, NJW-RR 2002, 557). Die Annahme der Nichtigkeit im Falle eines einseitigen Verstoßes würde zu der nicht hinnehmbaren Konsequenz führen, dass der Besteller einer Werkleistung weder Erfüllungs- noch Gewährleistungsansprüche geltend machen könnte, wenn nachträglich ein Verstoß des Unternehmers gegen das SchwarzArbG hervortritt. Der in der Literatur (vgl. Canaris, Anmerkung zu BGH, NJW 1985, 2403; Sack/Seibl, a.a.O. , § 134 Rz. 279) und Rechtsprechung (LG Bonn, Beschl. v. 24.10.1990 – 15 O 121/90; NJW-RR 1991, 180) vertretenen Ansicht, in Fällen eines einseitigen Verstoßes sei von einer halbseitigen Teilnichtigkeit auszugehen, so dass der Unternehmer keinen Werklohn, wohl aber der Besteller Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche geltend machen könne, ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt (BGH, Beschl. v. 25.01.2001 – VII ZR 296/00, NJW-RR 2002, 557). Auch der Senat folgt dieser Ansicht nicht. Sie hätte zur Folge, dass der Besteller die Erfüllung durchsetzen könnte, ohne für die Leistung bezahlen zu müssen. Das wäre unangemessen.

Aus der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergeben sich entgegen der Ansicht der Berufung keine Anhaltspunkte dafür, dass auch im Falle eines einseitigen Verstoßes gegen das SchwarzArbG der Vertrag nichtig wäre (vgl. Kniffka, in: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage, Teil 5 Rz. 19; Voit, in: BeckOK-BGB 01.02.2015, § 631 Rz. 40; Wendtland, in: BeckOK-BGB 01.11.2015, § 134 Rz. 29). Wenn der Bundesgerichtshof ausführt, dass ein Vertrag „jedenfalls dann“ nichtig sei, wenn der Unternehmer vorsätzlich gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoße und der Besteller den Verstoß des Unternehmers kenne und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutze (BGH, Urt. v. 11.06.2015 – VII ZR 216/14, NJW 2015, 2406; Urt. v. 01.08.2013 – VII ZR 6/13, NJW 2013, 3167), so kann dem nicht die Bedeutung beigemessen werden, dass auch im Falle eines einseitigen Verstoßes des Unternehmers Nichtigkeit zu erwägen sei. In Betracht mag kommen, dass allein die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Bestellers von dem Gesetzesverstoß ausreicht, er sich den Gesetzesverstoß also nicht zu Nutze machen muss; auch mag bereits ein grob fahrlässiger Verstoß des Unternehmers ausreichend sein (vgl. Sack/Seibl, a.a.O. , § 134 Rz. 281). Dafür, dem Besteller aber alle Erfüllungsansprüche abzuschneiden, weil sich allein sein Vertragspartner, der Unternehmer, verbotswidrig verhalten hat, gibt auch die vorstehend zitierte Rechtsprechung keine Anhaltspunkte.“

 

Praxishinweis:

Der BGH entschied jüngst mehrfach, dass bei einem beiderseitigen Verstoß gegen die Bestimmungen des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz der jeweilige Bauwerkvertrag nichtig sei mit der Folge, dass weder Vergütungs- noch Gewährleistungsansprüche der Parteien bestehen. „Bar auf die Hand“ – Abreden sind hiernach für alle am Bau Beteiligten mit gravierenden Risiken verbunden (die durch die Prozessparteien „gerne“ zulasten der anderen Partei ausgenutzt werden).

Ein bloßer einseitiger Verstoß (bei fehlender Kenntnis des anderen Teils) hingegen führt nach Auffassung des OLG nicht zur Nichtigkeit, was im Ergebnis zu begrüßen ist, da ansonsten Manipulationen durch Bauunternehmer „Tür und Tor“ geöffnet wären (Beispielsfall: ein Auftraggeber macht Mängelrechte geltend und der Unternehmer verweigert die Nacherfüllung mit der Begründung, der Vertrag sei wegen der fehlenden Gewerbeanmelung nichtig). Ist der Vertrag hiernach nicht nichtig (also: WIRKSAM), besteht der Vergütungsanspruch des Unternehmers (auch bei fehlender Gewerbeanmeldung) – ein anderes Ergebnis ist durch die Rechtsordnung nicht gedeckt. Umgekehrt kann auch der Auftraggeber Mängelrechte für sich reklamieren.

 

Christoph Wink
Rechtsanwalt | Notar
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

ERHARD & MAAS Rechtsanwälte | Fachanwälte | Notare –  Schwelm
www.anwaltsteam.eu

 

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