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- OLG Frankfurt, Urteil vom 20.11.2023, Az. 17 U 121/23 –
Eine fast alltägliche Situation, wenn plötzlich das Martinshorn ertönt und Blaulicht im Rückspiegel aufleuchtet. Bei den meisten Verkehrsteilnehmern steigt dann kurzzeitig der Puls, insbesondere da schnelles Reagieren gefragt ist. Mit einem ähnlichen Sachverhalt beschäftigte sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in vergangener Zeit und fällte am 20. November 2023 sein Urteil.
Zum Sachverhalt: Ein Notarzteinsatzfahrzeug überquerte mit Blaulicht und Martinshorn eine rote Ampel an einer Kreuzung. Zur selben Zeit wollte ein PKW-Fahrer die Kreuzung bei grünem Ampelzeichen überqueren, jedoch fuhr das vor ihm befindliche Fahrzeug, trotz Grünlichts, nicht an, sodass der Fahrer auf die linke Spur wechselte und in den Kreuzungsbereich einfuhr. Dort kam es dann zu einer Kollision mit einem Rettungsdienstfahrzeug.
Das Oberlandesgericht hatte nun darüber zu entscheiden, welche Sorgfaltserwägungen der Fahrer eines Einsatzfahrzeugs anstellen müsse, damit sowohl dessen Interesse am raschen Vorwärtskommen seines Fahrzeugs gewahrt, gleichwohl aber auch der Schutz anderer Verkehrsteilnehmer nicht übergangen würde.
Grundsätzlich bestimmt § 35 Abs. 5 a StVO, dass Fahrzeuge des Rettungsdienstes von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit sind, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden sind. Darüber hinaus regelt § 35 Abs. 8 StVO, dass die Sonderrechte nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden dürfen. Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied bereits im März 2016 (OLG Frankfurt, Urteil vom 14.03.2016- 1 U 248/13), dass ein Sonderrechtsfahrer umso höhere Anforderungen an seine Sorgfalt zu stellen habe, je mehr er von Verkehrsregeln abweiche. Dies bedeutet, dass er eine Kreuzung nur dann bei Rot überqueren dürfe, wenn er sich überzeugt habe, dass die anderen Verkehrsteilnehmer ihn auch wahrgenommen haben. Solange bei einer querenden Straße mit mehreren Fahrspuren eine Fahrspur frei sei und nicht durch wartende Fahrzeuge blockiert werde, dürfe der Fahrer eines Einsatzfahrzeugs nicht darauf vertrauen, dass er die Kreuzung gefahrlos überqueren könne. Das Oberlandesgericht führte an dieser Stelle aus, dass es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keinen allgemeinen Vertrauensgrundsatz zugunsten des bevorrechtigten Fahrers gäbe, dass die übrigen Verkehrsteilnehmer durch das Einschalten von Blaulicht und Martinshorn schon in ausreichender Weise gewahrt seien.
Der Fahrer des PKW habe aber ebenso einen erheblichen Verkehrsverstoß begangen, indem er nicht auf die Sondersignale des Einsatzfahrzeugs geachtet hätte. Er habe ebenso nicht in Erwägung gezogen, dass das vor ihm befindliche Fahrzeug aus einem bestimmten Grund stehengeblieben sein könnte. Das Oberlandesgericht begründete an dieser Stelle, dass ein umsichtiger Fahrer sich der unklaren Verkehrslage zumindest angenommen und seine Fahrweise entsprechend angepasst hätte.
Angesichts dessen urteilte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 20. November 2023, dass eine Schadensteilung entsprechend der jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge in Betracht komme, wenn ein Fahrer eines Sonderrechtsfahrzeugs seinen Sorgfaltsanforderungen nicht genüge, weil er nicht ausreichend auf die anderen Verkehrsteilnehmer achte und der andere Verkehrsteilnehmer die Sondersignale des Einsatzfahrzeugs übersehe / überhöre, woraufhin es zur Kollision der Fahrzeuge käme