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LAG Rheinland-Pfalz: Hohe Darlegungs- und Beweislast bei der Kündigung von „low performern“

Beitrag zum Thema Aktuelles · Christoph Wink · 11.06.2014

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.3.2014 – 6 Sa 357/13

 

Weist ein Mitarbeiter Defizite in Leistung oder Verhalten auf (sog. „low performer“), kann das Arbeitsverhältnis nicht „mal eben“ beendet werden. Vielmehr gebietet der hohe Schutzstandard des KSchG, dass derartige Defizite im einzelnen dargelegt (und bewiesen) werden und dass der Mitarbeiter im Vorfeld einer Kündigung auf derartige Defizite hinweisen ist.

Im entschiedenen Fall war der Kläger bei der Beklagten als Assistenz-, später als Facharzt tätig. Hiernach wurde er zum Oberarzt bestellt. Die Bewertung seiner fachlichen Fähigkeiten erfolgte regelmäßig mit einer „1“. Im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses erklärte die Beklagte eine Änderungskündigung (verbunden mit einer Herabgruppierung), die sie erheblichen mit fachlichen Defiziten begründete.

Hiergegen richtete sich die Klage, die in beiden Instanzen zugunsten des klagenden Oberarztes entschieden wurde.

 

Das LAG befasste sich eingehend mit personenbedingten und verhaltensbedingten Gründen, die (an sich) eine (auch Änderungs-) Kündigung sozial rechtfertigen können.

Die verhaltensbedingte Kündigung scheiterte bereits an der fehlenden Abmahnung.

Aber auch die Voraussetzungen der personenbedingten Kündigung habe der beklagte Arbeitgeber nicht hinreichend dargelegt:

„Als personenbedingte Gründe, die eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen können, sind nur solche Umstände anzuerkennen, die auf einer in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers liegenden "Störquelle" beruhen. Eine personenbedingte Kündigung kann sozial gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen, die seiner Sphäre liegen, jedoch nicht von ihm verschuldet sein müssen, zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Arbeitsleistung ganz oder teilweise nicht mehr in der Lage ist (BAG 11. Dezember 2003 – 2 AZR 667/02 -, Rn. 105, mwN, zitiert nach juris).

In diesen Fällen liegt in der Regel eine schwere und dauerhafte Störung des Austauschverhältnisses vor, ohne dass dem Arbeitnehmer eine Vertragsverletzung vorzuhalten wäre: Die konkrete Vertragspflicht zur Arbeit ist individuell zu bestimmen. Der Arbeitnehmer, der trotz angemessener Bemühung die Normalleistung unterschreitet oder nicht erbringt, verstößt nicht gegen den Vertrag, sondern unterschreitet die nicht zur Vertragsbedingung erhobene berechtigte Erwartung des Arbeitgebers von einem ausgewogenen Verhältnis von Leistung und Gegen-leistung (BAG 11. Dezember 2003 – 2 AZR 667/02 -, Rn. 106 mwN, aaO).

Im Arbeitsverhältnis stehen dem Arbeitgeber zur Reaktion auf derartige Störungen des Austauschverhältnisses, soweit sie aus der Sphäre des Arbeitsnehmers stammen, im Wesentlichen die Vorschriften über die personenbedingte Beendigungskündigung oder Änderungskündigung zu Gebote. Eine personenbedingte Kündigung wegen Minderleistungen setzt deshalb nicht voraus, dass der Arbeitnehmer gegen die subjektiv zu bestimmende Leistungspflicht verstößt. Es kommt darauf an, ob die Arbeitsleistung die berechtigte Gleichwertigkeitserwartung des Arbeitgebers in einem Maße unterschreitet, dass ihm ein Festhalten an dem (unveränderten) Arbeitsvertrag unzumutbar wird. Darüber hinaus setzt die Kündigung aus personenbedingten Gründen stets voraus, dass auch für die Zukunft nicht mit einer Wiederherstellung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung zu rechnen ist und kein milderes Mittel zur Wiederherstellung eines Vertragsgleichsgewichts zur Verfügung (BAG 11. Dezember 2003 – 2 AZR 667/02 -, Rn. 108 mwN).

Die Beklagte hat vorliegend nicht ausreichend vorgetragen, dass eine Minderleistung des Klägers vorlag. Es ist nicht ersichtlich, dass ihre Erwartungen von einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erheblich unterschritten wurden und eine Vertragsfortsetzung für sie unzumutbar war.“

Zudem fordert das LAG auch für den Bereich der personenbedingte Kündigung, dass der Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Kündigung zumindest auf seine vermeintlichen Defizite hinweisen ist:

„ … Auch wenn es grundsätzlich bei personenbedingten Kündigungen einer vorherigen Abmahnung nicht bedarf, ist der Arbeitgeber bereits aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls gehalten, den Arbeitnehmer auf ein Leistungsdefizit hinreichend aufmerksam zu machen (vgl. BAG 29. Juli 1979 – 3 AZR 50/75 -, Rn. 21, 03. Juni 2004 – 2 AZR 386/03 -, Rn. 45, LAG Hamm 25. September 2012 – 9 Sa 702/12 -, Rn. 84, jeweils zitiert nach juris). Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn ein derartiger Hinweis nicht erfolgversprechend gewesen wäre (vgl. zur Abmahnung: BAG 29. Juli 1976 – 3 AZR 50/75 -, Rn. 22, 18. Januar 1980 – 7 AZR 75/78 -, Rn. 23, LAG Hamm 25. September 2012 – 9 Sa 702/12 -, Rn. 84; jeweils zitiert nach juris).“

 

 

Praxishinweis:    In den letzten Jahren häufen sich zunehmend die Fälle, bei denen Arbeitgeber mit der Leistung einzelner Mitarbeiter im Vergleich zu deren Kollegen „irgendwie“ unzufrieden sind. Diese Unzufriedenheit wird nicht selten festgemacht an der Motivation und der  „Einsatzfreude“ des Mitarbeiters, nicht allerdings an konkreten (und vergleichbaren) Faktoren (wie die konkret bemessenen Arbeitsergebnisse im Vergleich zu denen der Kollegen).

Die Behandlung dieser „weniger produktiven“ Mitarbeiter, die unter dem neudeutschen Terminus „low performer“ erfasst werden, bereitet in der arbeitsrechtlichen Praxis erhebliche Komplikationen, insbesondere für den Fall einer beabsichtigten Kündigung.

Eine fehlende fachliche Eignung kann einen personenbedingten Kündigungsgrund darstellen, das Nichterreichen vertraglicher (zumindest aber üblicher) Leistungsergebnisse eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen rechtfertigen.

Das Urteil des LAG zeigt deutlich, dass bei beiden Kündigungsgründen sehr dezidiert vorzutragen ist, welche Eignung oder welche Ergebnisse geschuldet sind, nötigenfalls ist hierüber auch Beweis durch den Arbeitgeber zu führen. Hier ist den Arbeitgebern dringend anzuraten, Leistungsergebnisse des betreffenden Mitarbeiters und darüber hinaus auch Leistungsergebnisse vergleichbarer Kollegen akribisch zu dokumentieren, um einer Kündigung die erforderliche Substanz zu geben.

Darüber hinaus ist zwingend geboten, den Mitarbeiter im Vorfeld einer Kündigung auf die Leistungsdefizite hinzuweisen. Dies gilt sowohl für die verhaltensbedingte Kündigung (dort ist regelmäßig eine vorherige Abmahnung erforderlich), wie auch (wie das LAG ausdrücklich fordert) für die Kündigung aus personenbedingten Gründen.

 

Quelle: Urteilsdatenbank des LAG Rheinland-Pfalz unter http://www.mjv.rlp.de/Gerichte/Fachgerichte/Arbeitsgerichte/LAG-Rheinland-Pfalz/

 

Christoph Wink
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
 
Erhard & Maas Rechtsanwälte Schwelm
www.anwaltsteam.eu

 

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