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BAG: Erstattung von Weiterbildungskosten – Transparenz einer Rückzahlungsklausel

Beitrag zum Thema Aktuelles · Klemens Erhard · 10.02.2014

BAG: Urteil vom 06.08.2013 – 9 AZR 442/12

Kann der Arbeitgeber verauslagte Weiterbildungskosten im Falle der Kündigung des Arbeitnehmers zurückerstattet verlangen, wenn ja in welcher Höhe und innerhalb welcher Fristen? Diese Problembereiche sind Dauerbrenner bei den Arbeitsgerichten.

 

Weiterbildungsmaßnahmen gehen über die üblichen Fortbildungen hinaus. Sie laufen oft über Wochen, Monate, auch über Jahre. Arbeitnehmer können Zusatzqualifikationen erwerben, auch neue Berufsabschlüsse. In der Regel liegen die Weiterbildungsmaßnahmen im Interesse aller Beteiligten. Der finanzielle Aufwand ist oft dermaßen hoch, dass er von Arbeitnehmerseite nicht getragen werden kann. Soweit die Finanzierung über den Arbeitgeber erfolgt, besteht für diesen natürlich ein gesteigertes Interesse daran, den Arbeitnehmer so lange wie möglich im Anschluss an die Beendigung der Qualifizierung an sein Unternehmen zu binden. Vereinbarungen zur Rückzahlung von Weiterbildungskosten enthalten daher auch durchweg gestaffelte Bindungsfristen. Je nach Höhe der Ausbildungskosten und zeitlicher Dauer der Maßnahme besteht eine Bindung zwischen sechs und 60 Monaten. Der Arbeitnehmer hat dann im Falle der Eigenkündigung einen  prozentualen Anteil der entstandenen Kosten zurückzuzahlen, je nachdem, wie lange er nach Abschluss der Maßnahme noch für den Arbeitgeber tätig war.

 

Dies waren dann auch die Fälle, über die die Gerichte in der Vergangenheit überwiegend zu entscheiden hatten. Oft waren die vereinbarten Bindungen übermäßig lang.

 

Die jüngsten Entscheidungen der Arbeitsgerichte beschäftigen sich aber mit der Höhe der Rückzahlungsforderungen. Für den Arbeitnehmer muss vor Beginn der Maßnahme völlig klar sein, auf was er sich einlässt und in welchem konkreten Umfang er Kosten zurückerstatten muss, wenn er das Arbeitsverhältnis innerhalb der     Bindungsfrist kündigt. Über die Höhe werden meist nur pauschale Regelungen getroffen, wie auch in dem von dem BAG entschiedenen Fall. Hier lautete die Vereinbarung:

 

„Im Rahmen der nachfolgend genannten Weiterbildung „Fachpflege Psychiatrie“ wird die E gGmbH den Mitarbeiter für den Besuch des Lehrgangs freistellen und die Lehrgangsgebühren übernehmen.

 

Der Angestellte verpflichtet sich, die der E entstandenen Aufwendungen für die Weiterbildung, einschließlich der Lohnfortzahlungskosten – wie nachstehend beschrieben – zu ersetzen, wenn das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Angestellten … endet …“.

 

Vorgesehen war eine gestaffelte Rückzahlungspflicht beim Ausscheiden innerhalb von drei Jahren nach Abschluss der Maßnahme. Nach Kündigung verlangte die Klägerin Ersatz für 1/3 der von ihr verauslagten Kosten.

 

Das BAG hat einen Anspruch auf Erstattung von Weiterbildungskosten verneint. Die Klausel sei nicht hinreichend klar und verständlich. Es sei nicht zu erkennen, welche Kosten im Einzelnen erfasst sein. Es fehle die Angabe, welche konkreten Kosten gemeint seien und in welcher Höhe diese anfallen können. Der Klausel sei ferner nicht zu entnehmen, mit welchen Lehrgangsgebühren zu rechnen sei und ob der Aarbeitnehmer neben den Lehrgangsgebühren Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten zu erstatten habe und wie diese gegebenenfalls zu berechnen seien (z. B. km-Pauschale für Fahrtkosten, Tagessätze für Übernachtungs- und Verpflegungskosten), für welchen konkreten Zeitraum Lohnfortzahlungskosten anfielen, ob die Rückzahlungsverpflichtung auf die Brutto- oder die Nettosumme gerichtet sei und ob auch die Beiträge zur Zusatzversorgung zu erstatten seien.

 

Rückzahlungsvereinbarungen werden    in der Regel   nicht   individuell ausgehandelt. Die Praxis sieht so aus, dass der Arbeitgeber einen vorformulierten Text nutzt, der für eine Vielzahl von Weiterbildungsmaßnahmen zur Anwendung kommt. Das BAG sieht solche  Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen   an    und prüft sie auch unter diesen Gesichtspunkten. Allgemeine Geschäftsbedingungen müssen dem Transparenzgebot entsprechen, sie müssen klar und verständlich sein, darüber hinaus müssen sie auch die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für den Arbeitgeber kein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum entstehen kann. Ohne dass zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der gegebenenfalls zu erstattenden Kosten angegeben sind, könnte der Arbeitnehmer sein Rückzahlungsrisiko nicht ausreichend abschätzen. Erforderlich sind die genaue und abschließende Bezeichnung der einzelnen Positionen, aus denen sich die Gesamtforderung zusammensetzt und die Angabe, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen berechnet werden.

 

Für den Arbeitgeber ist die Verwendung von Rückzahlungsklauseln damit höchst riskant geworden.

 

Bei der    Gestaltung von Rückzahlungsklauseln sollten die Kosten nach Möglichkeit ganz konkret angegeben werden. Im Zweifel bietet es sich an, dass die Rückzahlung auf Lehrgangsgebühren und auf abgrenzbare Kosten beschränkt wird.

 

Ist ein Teil der Klausel nicht transparent führt dies dazu, dass die Klausel insgesamt als unwirksam angesehen wird. Im Streitfall wird die Rückzahlungsverpflichtung also nicht auf die Kosten beschränkt, die nachvollziehbar und verständlich sind. Die Klausel wird insgesamt hinfällig. Der Anspruch entfällt komplett.

 

Klemens Erhard

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
 

Erhard & Maas Rechtsanwälte  Schwelm
www.anwaltsteam.eu

 

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